Donnerstag, 31. Juli 2008

Saturnmond Titan - Ströme und Seen aus flüssigen Kohlenwasserstoffen

DLR-Planetenforscher veröffentlichen Artikel im Wissenschaftsmagazin Nature

Verzweigtes System von Abflusskanälen an der Huygens-Landestelle

Bisher galt die Erde als der einzige Ort im Sonnensystem, an dem es regnet und die Niederschläge sich in Flüssen sammeln, bevor sie in ein stehendes Gewässer münden. Nun haben Forscher, darunter auch Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), mit der Raumsonde Cassini einen See auf dem Saturnmond Titan entdeckt.
Ebenso wurde herausgefunden, dass es auf Titan auch regnet und sich aus den Niederschlägen Ströme bilden, die über die Oberfläche fließen und tief eingeschnittene Täler aus der eisigen Landschaft erodieren. "Wir sind uns sicher, dass es auf Titan mindestens einen großen mit Flüssigkeit gefüllten See gibt", erklärt Prof. Ralf Jaumann vom Berliner DLR-Institut für Planetenforschung. "Die Messungen mit dem Spektrometer VIMS an Bord der Cassini-Sonde sind eindeutig: Nahe dem Südpol des Titan haben wir einen See entdeckt, der mit flüssigem Ethan gefüllt ist: In dem See steht gewissermaßen flüssiges Erdgas."

Wahrscheinlich ist, dass sich das Ethan mit anderen Flüssigkeiten vermischt hat, wie beispielsweise Methan oder anderen leichten Kohlenwasserstoffen aus der Familie der Alkane. Der jetzt gefundene See trägt den Namen Ontario Lacus, in Anlehnung an den 300 Kilometer langen Ontariosee in der Nähe der Niagarafälle an der Grenze zwischen den USA und Kanada, dem er in seiner Größe und vom Umriss her ähnelt.

Ontario Lacus, ein See nahe dem Südpol des Saturnmondes Titan zum Bild Ontario Lacus, ein See nahe dem Südpol des Saturnmondes Titan

In einer zweiten Studie, die unter Federführung von Prof. Jaumann entstand, untersuchten die Forscher in anderen Gebieten auf dem Titan weit verzweigte Täler. "Diese können eigentlich nur durch die Erosionswirkung einer Flüssigkeit entstanden sein", erklärt der Berliner Planetenforscher, der auch an der Forschungsarbeit zu Ontario Lacus maßgeblich beteiligt ist. Erstmal wurde dieses "Gewässernetz" in einer hügeligen Landschaft auf dem Titan in Bildern der Atmosphärensonde Huygens entdeckt, die mit Cassini zum Saturn befördert wurde und am 14. Januar 2005 durch die Titanatmosphäre flog, ehe sie sicher auf dem Saturnmond landete.

Täler, in denen fast so viel Flüssigkeit strömt, wie im Rhein

Wissenschaftler vermuteten seit längerem, dass es auf dem Titan, dessen dichte Atmosphäre keinen direkten Blick auf seine Oberfläche ermöglicht, flüssiges Methan, Ethan oder andere leichte Kohlenwasserstoff-Verbindungen gibt. Allerdings ist die Titanatmosphäre so dicht, dass mit gewöhnlichen Kameras nur ein verschwommener Blick auf die eisige Oberfläche des Mondes möglich ist. Nur durch so genannte "atmosphärische Fenster", in ganz bestimmten, eng begrenzten Wellenlängen des nahen Infrarot, ist es möglich, Details der Titanlandschaft zu erkennen.

"Inzwischen haben wir auch an zahlreichen anderen Stellen auf dem Titan mit dem Spektrometer und dem Radar-Instrument derartige Talsysteme entdeckt", erklärt DLR-Forscher Jaumann. "Unsere Auswertungen zeigen, dass in diesen Tälern zumindest zeitweise erhebliche Mengen an Flüssigkeiten geflossen sein müssen." Angepasst an die Bedingungen auf dem Titan könnten bis zu 1600 Kubikmeter Flüssigkeit pro Sekunde in den Gräben geströmt sein – das sind etwa zwei Drittel der Wassermenge, die aus dem Rhein in die Nordsee fließt.

Ontario Lacus, ein mit flüssigen Kohlenwasserstoffen gefüllter See mit "Strand" auf dem Titan

Die flüssigen Kohlenwasserstoffe können nur zwei Quellen haben: Entweder regnet es aus der Atmosphäre des Titan gelegentlich Methan und Ethan, oder vulkanische Wärme aus dem Innern des Mondes mobilisieren die bei minus 180 Grad flüssigen Kohlenwasserstoffe aus dem Innern. "Wir tendieren dazu, Niederschläge als die wahrscheinliche Quelle der Flüssigkeiten anzunehmen, weil die verzweigten Talsysteme sich über weite Gebiete erstrecken und nicht von singulären Quellen ausgehen, beantworten lassen wird sich das aber erst mit weiteren Messungen, die wir für die kommenden zwei Jahre geplant haben."

Erste Hinweise auf Seen und Flüsse auf Titan

Der Nachweis, dass sich im Ontario Lacus tatsächlich eine Flüssigkeit befindet, gelang mit Messungen des Spektrometers VIMS (Visual and Infrared Mapping Spectrometer), einem abbildenden Spektrometer für das sichtbare Licht und Wellenlängen des nahen Infrarots an Bord von Cassini. Das VIMS-Team, in dem auch Ralf Jaumann Mitglied ist, veröffentlicht seine Forschungsergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature, sowie in der Fachzeitschrift Icarus.

Damit ist ein wichtiger Fortschritt in der Erforschung des Titan und des Saturnsystems markiert worden: Zwar wurde schon vor der Cassini-Mission spekuliert, dass es auf Titan sogar einen Ozean aus Methan oder Ethan gibt. Doch weder die bisherigen Messungen von Cassini aus der Umlaufbahn um den Saturn, noch die Experimente der von Cassini abgetrennten Atmosphärensonde Huygens, die am 14. Januar 2005 auf der Eisoberfläche des Titan landete, lieferten eindeutige Beweise für einen solchen Ozean. Nach insgesamt 40 Titanvorbeiflügen seit der Ankunft von Cassini am 30. Juni 2004 im Saturnsystem ist nun der Nachweis gelungen, daß es zwar keinen Ozean auf Titan gibt, aber doch Seen und einen komplexen Flüssigkeitskreislauf.

Ontario Lacus

Die Vermutung, auf Titan gebe es aber wenigstens vereinzelt stehende Gewässer, existiert seit Mitte 2005, als das Cassini-Kamerasystem Teile der Südhalbkugel mit einem Filter im nahen Infrarot aufgenommen hatte. Darin war Ontario Lacus als ebene, das Licht kaum reflektierende Fläche zu erkennen. Später entdeckte das Radar von Cassini in hohen nördlichen Breiten zahlreiche ausgedehnte, auffallend glatte und an Seen erinnernde Flächen.

Ähnlich wie bei Ontario Lacus stellten die Forscher auch für diese nördliche "Seenplatte" ein ziemlich schwaches Reflexionsvermögen fest. Auch mit VIMS wurde diese Gegend damals untersucht. Doch waren die Messungen wegen der dort dichteren Atmosphäre stark verrauscht und zudem in ihrer Auflösung zu niedrig, so dass keine genaueren Erkenntnisse möglich waren. Wenn Ende kommenden Jahres auf der Nordhalbkugel Titans der Frühling einsetzt, werden der Orbit von Cassini und die Voraussetzungen für genauere Beobachtungen mit VIMS viel günstiger sein. Damit kann vielleicht auch für diese Flächen der Nachweis erbracht werden, dass es sich um Seen handelt.

Titan ist eines der spannendsten "Urzeitlabore" im Sonnensystem

Mysteriöser, von einer dichten Atmosphäre eingehüllter Saturnmond Titan

Titan ist mit einem Durchmesser von 5150 Kilometern der zweitgrößte Mond im Sonnensystem – und der einzige, der von einer nennenswerten Atmosphäre umgeben ist. Die Gashülle des Titan besteht zu etwa 95 Prozent aus Stickstoff, dazu kommen Spuren von Methan und Ethan. Damit ähnelt sie der Erdatmosphäre zu einer Zeit, bevor diese sich vor drei bis vier Milliarden Jahren durch die Evolution des Lebens zu verändern begann. Wegen der Existenz organischer Moleküle, also Kohlenwasserstoff-Verbindungen, ist die Titanatmosphäre ein spannendes Labor, um chemische Prozesse zu studieren, wie sie vor drei bis vier Milliarden Jahren auf der Erde abliefen. Unter der Eiskruste des Titan vermuten einige Forscher sogar eine Schicht geschmolzenen Wassers, einen Ozean in mehreren Kilometern Tiefe. All dies macht den Saturntrabanten zu einem der interessantesten Ziele der Erforschung des Sonnensystems.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein gemeinsames Projekt der NASA, der europäischen Weltraumorganisation ESA und der Italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory, eine Einrichtung des California Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien), leitet und führt die Mission für die NASA. Das DLR ist mit mehreren Wissenschaftlern an der Mission beteiligt. Die Raumfahrt-Agentur des DLR unterstützt die Mission über die ESA und fördert die an der Mission beteiligten Wissenschaftler an deutschen Universitäten und in der Max-Planck-Gesellschaft. Die Mission Cassini wurde erst am 1. Juli 2008 für zwei weitere Jahre verlängert. Bis Mitte 2010 wird die Sonde noch weitere 60 Saturnumrundungen absolvieren und dabei 26 Mal nahe am Titan vorbeifliegen. (DLR)

Quelle Bild 1: ESA/NASA/JPL/University of Arizona.
Bild 2: NASA/JPL/Space Science Institute.
Bild 3: ESA/NASA/JPL/University of Arizona.
Bild 4, 5: NASA/JPL /University of Arizona/Space Science Institute.

Mars Express fotografiert Phobos aus bisher kürzester Distanz

Am 23. Juli 2008 gelangen mit der vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebenen Stereokamera HRSC auf der ESA-Sonde Mars Express die bisher am höchsten aufgelösten Bilder des Marsmondes Phobos. Die Raumsonde flog an dem etwas mehr als 25 Kilometer großen Marstrabanten in einer relativen Geschwindigkeit von 3,0 Kilometer pro Sekunde (knapp 11.000 Kilometer pro Stunde) vorbei und kam Phobos bis auf 93 Kilometer nahe. Dabei wurde eine von der Kamera bislang noch nicht fotografierte Gegend auf der dem Mars abgewandten Seite der Nordhalbkugel beobachtet.

Geometrie des Phobos-Vorbeifluges


Animation: Mars Express-Vorbeiflug am Marsmond Phobos



Das HRSC-Experimentteam am DLR-Institut für Planetenforschung plante die Aufnahmen gemeinsam mit der Freien Universität Berlin und dem ESOC, dem Bodenkontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt.
Damit die Bilder bei hoher Vorbeifluggeschwindigkeit und der gleichzeitig sehr kurzen Entfernung zum Mond nicht verwischt werden, schwenkten die Raumflugingenieure am ESOC den Mars Express-Orbiter während der Aufnahmen gegen die Flugrichtung, um optimale HRSC-Aufnahmen zu ermöglichen - ein Manöver, das perfekt gelang. Die wissenschaftliche Auswertung der HRSC-Bilder und der Ergebnisse der anderen Mars Express-Experimente dauert noch an.

Neue Möglichkeiten zur Untersuchung von Phobos

Die an Bord der Raumsonde befindliche High Resolution Stereo Camera (HRSC) untersuchte den nur 27 Kilometer mal 22 Kilometer mal 19 Kilometer großen Mond, welcher zu den am wenigsten reflektierenden Körpern im Sonnensystem gehört. Es wird vermutet, dass es sich bei Phobos um einen Asteroiden aus der frühen Entstehungsperiode des Planeten handelt, der von der Marsgravitation eingefangen wurde. Die Bilddaten, welche in fünf verschiedenen Kanälen für die bestmögliche stereografische und photogrammetrische Analyse aufgenommen wurden, zeigen bei einer Auflösung von 3,7 Metern pro Pixel noch nie gesehene Details der Mondoberfläche. Die Stereodaten, welche ebenfalls mit einer Auflösung von 3,7 Metern pro Pixel aufgenommen wurden, sind wichtig für die Erstellung eines digitalen Geländemodells sowie für photogeologische Untersuchungen. Die Daten der zusätzlichen photometrischen Kanäle mit einer Auflösung von 7,4 Metern pro Pixel bieten die Möglichkeit, den auf Phobos vorhandenen Regolith genauestens zu untersuchen. (Foto: Der Marsmond Phobos)

Die Daten aus Orbit 5851 bieten völlig neue Möglichkeiten, Phobos zu untersuchen, da Daten älterer Vorbeiflüge der Viking-Sonden oder des Mars Reconnaissance Orbiters (MRO) entweder keine Stereodaten lieferten oder die Auflösung der Bilder geringer war. Neuere HiRISE-Daten (High Resolution Imaging Science Experiment) der NASA zeigen dagegen nur die dem Mars zugewandte Seite des Mondes, während Mars Express überwiegend die dem Planeten abgewandte Seite beobachtet. Dieser Vorbeiflug hatte die größte Annäherung an Phobos von den insgesamt fünf geplanten Vorbeiflügen im Juli und August dieses Jahres.

Die Beobachtungen von Phobos verdankt Mars Express seinem sehr elliptischen Orbit. Die Raumsonde befindet sich dabei zwischen 270 Kilometern und mehr als 10.000 Kilometern über dem Planeten und kreuzt auch die 9000 Kilometer von Mars entfernte Bahn des Mondes. Da Phobos, wie auch der Erdmond, dem Planeten immer die gleiche Seite zuwendet, sind Aufnahmen der abgewandten Seite nur möglich, wenn sich Mars Express außerhalb des Mondorbits befindet. Im Jahr 2009 will die russische Raumfahrtbehörde die Mission "Phobos Grunt" (Phobos Erde) zu dem Mond schicken, um Bodenproben auf der dem Planeten abgewandten Seite bei etwa 5 Grad Süd bis 5 Grad Nord und 230 Grad bis 235 Grad West zu sammeln und zur Erde zu bringen. Dieses Gebiet wurde zuletzt in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts von den Viking-Sonden aufgenommen. Die Beobachtungen der HRSC wurden sehnlichst erwartet, um die mögliche Landestelle besser festlegen und untersuchen zu können.

Rotation der Sonde beim Vorbeiflug

Mögliche Landestelle der russischen Mission "Phobos Grunt"

Besonders Eindrucksvoll erkennt man auf den neuesten Bildern die außergewöhnlichen Riefen auf der Oberfläche des Mondes. Der Ursprung dieser Riefen (Spuren) ist umstritten. Es könnte sich um Spuren handeln, die von ausgeworfenem Material im Zuge von Einschlagsereignissen auf dem Mars entstanden sind. Möglicherweise ist auch der die Oberfläche bedeckende Regolith in bereits vorhandene Spalten gerutscht. In den Bildern können mindestens zwei verschiedene Riefensysteme mit unterschiedlichen Orientierungen differenziert werden. Ein sinusförmiger Krater beziehungsweise eine Kraterkette sind ebenfalls zu erkennen.

Während der Beobachtungen wurde eine Sondendrehung, ein so genannter "spacecraft slew", durchgeführt. Dabei wird die Sonde entgegen ihrer Bewegungsrichtung rotiert, um die Geschwindigkeit zu reduzieren mit der das beobachtete Objekt an der Sonde vorbeizieht. Auf diese Weise wird verhindert, dass trotz der hohen Fluggeschwindigkeit verschwommene und unscharfe Bilder entstehen, und die Belichtungszeit groß genug gewählt werden kann. Auch der Super Resolution Channel (SCR) der HRSC machte während des Vorbeifluges Aufnahmen mit einer nominellen Auflösung von 90 Zentimetern pro Pixel. Trotz des "spacecraft slew" kam es zu geringer Unschärfe in den SRC-Detailaufnahmen. Diese Aufnahmen werden hier nicht gezeigt, von ihnen wird jedoch nach weiterer Bearbeitung ein höheres Maß an Detailreichtum erwartet.

Das Kameraexperiment HRSC auf der Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum (Freie Universität Berlin), der auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen hatte, geleitet. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren aus 32 Institutionen und zehn Nationen. Die Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung des PI G. Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt. (DLR)

Quellen Bild 1-5: ESA/DLR/FU Berlin (G. Neukum).